E b e r s w a l d e
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ASSISTENZARZT
vergewaltigte
26-jährige
PATIENTIN
in
NOTAUFNAHME

Ein Assistenzarzt am Werner-Forßmann-Krankenhaus in Eberswalde nutzte im November 2015 eine Notfallsituation aus, um eine 26-jährige Patientin sexuell zu missbrauchen. Der Fall, der erst nach über fünf Jahren mit einer rechtskräftigen Verurteilung endete, zeigt die Abgründe auf, die sich hinter der weißen Fassade des Gesundheitswesens verbergen können.
Der zum Zeitpunkt der Tat 31-jährige Angeklagte wurde in Kairo, Ägypten, geboren und wuchs dort gemeinsam mit einem jüngeren Bruder und einer jüngeren Schwester im elterlichen Haushalt auf. Sein Vater ist Professor für Mathematik, seine Mutter Agraringenieurin. Die Familie gehört der Religionsgemeinschaft der koptischen Christen an. Diese familiäre Prägung durch Bildung und religiöse Zugehörigkeit zu einer christlichen Minderheit in Ägypten kennzeichnete seine frühen Lebensjahre.
In Kairo wurde der Angeklagte regelgerecht eingeschult und absolvierte eine mit dem deutschen Abitur vergleichbare Schullaufbahn. Er besuchte sechs Jahre lang die Grundschule und jeweils drei Jahre lang die E… School und die S… School. Nach seiner Schulzeit ging er mit neunzehn Jahren zur Universität Kairo, wo er ein Medizinstudium aufnahm, welches er nach sieben Jahren erfolgreich beendete.
Bereits während seines Studiums, von 2008 bis 2012, arbeitete der Angeklagte in Ägypten an verschiedenen privaten Krankenhäusern als Arzt, vorwiegend in den Bereichen Chirurgie und Gynäkologie. An der Universität Kairo war er als Gastarzt auf dem Gebiet der Gefäßchirurgie tätig. Diese frühe Spezialisierung auf chirurgische Fächer, insbesondere Gynäkologie und Gefäßchirurgie, sollte seine weitere berufliche Laufbahn prägen.
Nach dem Beginn der Revolution in Ägypten im Jahr 2011 beschloss der Angeklagte, bald nach Deutschland zu gehen. Die politischen Umbrüche des Arabischen Frühlings veranlassten viele Ägypter zur Emigration. Zu diesem Zwecke versuchte er, sich mithilfe von Büchern die deutsche Sprache beizubringen.
Im Sommer 2012 kam der Angeklagte nach Deutschland, wo er zunächst für etwa fünf Monate in einer Laser-Klinik in Berlin hospitierte und nebenbei einen dreimonatigen Intensiv-Sprachkurs absolvierte. Im November 2012 erhielt er eine Berufserlaubnis. Von Februar 2013 bis April 2014 war der Angeklagte als Stipendiat am Krankenhaus E… H… in Berlin im Bereich der Gefäßchirurgie tätig. Im April 2014 erhielt er seine Approbation als Arzt in Deutschland.
In der Zeit von Juli 2014 bis Ende März 2017 hatte der Angeklagte eine Anstellung am Werner-Forßmann-Krankenhaus in Eberswalde, wo er als Assistenzarzt in der Abteilung der Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie beschäftigt war. Anschließend ging der Angeklagte mit seiner Familie nach Nürnberg, wo er ab April 2017 am dortigen Klinikum Süd als Assistenzarzt in der Gefäßchirurgie arbeitete.
Der Angeklagte ist seit Dezember 2014 verheiratet. Seine Frau, die Japanologie studiert hat, arbeitet derzeit in Teilzeit als Fremdsprachensekretärin. Die gemeinsamen Kinder - zwei Söhne und eine Tochter - wurden im Dezember 2015, März 2017 und Februar 2020 geboren. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
TÄUSCHUNG
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Am 19. November 2015 ab circa 21.30 Uhr war der Angeklagte im Rahmen des Bereitschaftsdienstes als diensthabender Arzt in der Notaufnahme des Werner-Forßmann-Krankenhauses in Eberswalde tätig. Gegen 21.40 Uhr begab sich die Nebenklägerin J… G…, die seit ihrer Kindheit unter Nierenproblemen litt, wegen starker Schmerzen im rechten Lendenwirbelbereich in Begleitung ihres damaligen Freundes in die Notaufnahme des Krankenhauses.
Nach der Aufnahme ihrer Patientendaten, der Ersteinschätzung ihrer Beschwerden durch die Notfall-Pflegekraft als urologische Problematik und der von der Krankenschwester veranlassten Abgabe einer Urinprobe wurde die Zeugin G… von dem Angeklagten in das Behandlungszimmer der Notaufnahme gerufen, wo sie ihm ihre Symptome - neben den Schmerzen im seitlichen Rückenbereich auch Blut im Urin - schilderte.
Der Angeklagte nahm zunächst auf einer Liege im Behandlungszimmer eine äußere Tastuntersuchung der Nierengegend bei der Zeugin vor, bei der diese leichte Schmerzen verspürte, was sie dem Angeklagten auch mitteilte. Anschließend erklärte der Angeklagte der Zeugin, dass er eine Ultraschalluntersuchung der Nieren durchführen wolle. Der Angeklagte verließ daraufhin das Behandlungszimmer und kehrte nach kurzer Zeit mit einem auf einem Rolltisch befindlichen Ultraschallgerät mit zwei bis drei Schallköpfen (Sonden) zurück, das er aus einer anderen Abteilung des Krankenhauses geholt hatte.
Nach einer zunächst am unteren Rücken und am Bauch vorgenommenen äußeren Ultraschalluntersuchung, die « bis auf einen Größenunterschied der Nieren keine größeren Auffälligkeiten ergeben hatte », teilte der Angeklagte der Zeugin G… mit, « dass er nunmehr eine vaginale Ultraschalluntersuchung durchführen müsse, um ihre Blase anzusehen und eine Blasenentzündung auszuschließen ». Zu diesem Zweck musste sich die Zeugin G… « auf der Untersuchungsliege auf den Rücken legen und ihre Hose und den Schlüpfer herunter ziehen, wobei ihr der Angeklagte behilflich war ». Einen Kollegen aus dem Fachbereich Gynäkologie zog der Angeklagte trotz Vorhandenseins eines gynäkologischen Bereitschaftsdienstes am Werner-Forßmann-Krankenhaus nicht hinzu.
ÜBERGRIFF
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Sodann begann der Angeklagte, der « die ganze Zeit über mit der Zeugin G… allein im Behandlungszimmer war », mit einer manuellen Tastuntersuchung der Vagina der Zeugin, indem er « mindestens einen seiner Finger in die Scheide der Zeugin G… einführte und diesen in ihr bewegte ». Anschließend trug der Angeklagte Gleitgel auf die Vagina der Zeugin auf und führte « eine für eine gynäkologische Ultraschalluntersuchung vorgesehene und der Zeugin auch aus früheren gynäkologischen Untersuchungen bei ihrem Frauenarzt bekannte Sonde in die Vagina der Zeugin ein, wobei er es unterließ, Gleitgel auf die Sonde aufzutragen und eine Schutzhülle über diese aufzuziehen ».
Er fragte die Zeugin, ob sie Schmerzen verspüre, was diese zu diesem Zeitpunkt noch verneinte. Die Untersuchung war ihr jedoch sehr unangenehm. Weil der Angeklagte ihr « zu verstehen gegeben hatte, die Untersuchung sei medizinisch notwendig, ließ sie sie aber über sich ergehen ».
Im Folgenden führte der Angeklagte « nochmals abwechselnd mehrmals seinen Finger und den Vaginal-Schallkopf in die Scheide der Zeugin G… ein. Letzteres erfolgte insgesamt mindestens zweimal, wobei die Zeugin beim zweiten Mal Schmerzen verspürte. Die manuelle Untersuchung, bei der der Angeklagte jedenfalls zeitweise keine Handschuhe trug, dauerte jeweils mehrere Minuten ». Dabei « berührte der Angeklagte häufig die Klitoris der Zeugin, wobei letztlich nicht festzustellen war, ob dies auf der Ungeschicklichkeit des Angeklagten beruhte und aus Versehen geschah oder mit Absicht des Angeklagten ».
Während der Untersuchung sagte er « mehrmals: 'Da könnte was sein…' und dann immer weiter untersucht ». Nachdem die Zeugin, « der das Prozedere nun zu viel wurde und die immer mehr verkrampfte, nach dem zweiten Vaginalultraschall erklärt hatte, die Untersuchung nunmehr beenden zu wollen », teilte ihr der Angeklagte mit, « dass er noch eine allerletzte Untersuchung vornehmen müsse ».
Hierzu führte er, ohne Handschuhe zu tragen, « wiederum mindestens einen seiner Finger in die Vagina der Zeugin G… ein, und zwar so tief, dass es ihr nun erhebliche Schmerzen bereitete. Sie bat den Angeklagten aufzuhören, was er sogleich auch tat. Er wischte ihr mit Tüchern ihren Genitalbereich ab, während die Zeugin das Gel im äußeren Bereich der Nieren selbst entfernen musste ».
« Dem Angeklagten war vor und während der Behandlung der Nebenklägerin bewusst, dass eine gynäkologische Tast- und Ultraschalluntersuchung medizinisch nicht indiziert war. Er hatte die Absicht, sich durch die der Zeugin G… als notwendig vorgegebene gynäkologische Untersuchung sexuell zu erregen ».
Zum Abschluss der insgesamt etwa eine dreiviertel Stunde dauernden Behandlung erstellte der Angeklagte am Computer einen Notaufnahmebogen und übergab diesen der Zeugin G… In dem Notaufnahmebogen, der die Diagnose « V.a. Nierenstein » sowie die Empfehlung der ambulanten Weiterbehandlung bei einem Urologen enthielt, war « an drei verschiedenen Stellen als Arzt bzw. Aufnahmearzt ein 'T… R…' angegeben; unmittelbar über dem letzten Namenseintrag befand sich eine unleserliche Unterschrift oder Paraphe. Die Durchführung einer gynäkologischen Untersuchung ist in dem Notaufnahmebogen nicht dokumentiert ».