F r a n k f u r t
Pfleger soll Patientin
sediert & vergewaltigt haben
·
Staatsanwaltschaft ermittelt
Ein Pfleger des Frankfurter Universitätsklinikums, der zum Zeitpunkt der Tat 35 Jahre alt war, steht im Verdacht, im August 2023 eine 20-jährige Patientin mit einem Sedativum betäubt und sie anschließend vergewaltigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt bestätigte ein laufendes Ermittlungsverfahren.
Der Fall ereignete sich am 12. und 13. August 2023 in Zimmer 11 auf der kardiologischen Station A10 des Universitätsklinikums Frankfurt. Die junge Frau Elif (Name geändert) war wegen einer Herzerkrankung zur Behandlung in der Klinik. Bei ihr wurde eine Ablation durchgeführt, bei der Herzgewebe verödet wird. Der Eingriff am Freitag, dem 11. August 2023, verlief ohne Komplikationen. Ihre Familie berichtete: «Wir haben uns gefreut. Ihr ging es nach der OP gut.»
Am Samstagmorgen, dem 12. August 2023, begann das Martyrium der jungen Frau. Elif schilderte: «Ein Pfleger der Station kam gegen 8.30 Uhr in mein Zimmer. Er wollte ein EKG machen, dafür sollte ich mein T-Shirt hochziehen. Mir war das unangenehm. Dann sagte er, dass er meinen Venen-Katheter durchspülen müsse.» Was dann geschah, konnte sich die Betroffene kaum noch ins Gedächtnis rufen: «Mir wurde schwindelig, irgendwann war ich weg.»
Gegen 13 Uhr rief Elif ihre Familie an. Die Angehörigen beschrieben ihren Zustand: «Sie konnte nicht klar reden, war völlig neben der Spur. Sie sagte uns, dass sie irgendein Medikament bekommen hätte, sich an nichts erinnern könnte. Außerdem klagte sie über Atemnot.» Als die Eltern ihre Tochter am Nachmittag besuchten, war die junge Frau auffällig still. Die Familie erinnerte sich: «Wir fanden das alles sehr komisch, aber dachten zu dem Zeitpunkt an nichts Böses.»
Am Sonntagmorgen, dem 13. August 2023, wiederholte sich das Geschehen. Elif berichtete: «Der gleiche Pfleger kam wieder in mein Zimmer, wollte erneut eine ‹Spülung› und ein EKG machen. Er behauptete, das sei eine ärztliche Anordnung. Das Mittel brannte heftig, wieder wurde mir schwummrig. Ich erinnere mich noch, dass der Pfleger über meine linke Brustwarze strich, sie festhielt. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Das tat er mehrfach. Wegen der Betäubung war ich nicht in der Lage, mich zu bewegen. Er fasste auch meinen Bauch an. Als er sich noch weiter hinunter bewegen wollte, schaffte ich es, zu schreien. Ich schrie, dass er das nicht darf. Zwischendurch verlor ich das Bewusstsein. Ich versuchte mich immer wieder zu wehren, doch es gelang mir nicht. Ich sagte immer wieder ‹nein›.»
Aufdeckung & Beweissicherung
Beim zweiten Übergriff schaffte es die junge Frau nach Hilfe zu rufen. Ihr gelang es, heimlich ihren Freund anzurufen, der wiederum ihre Familie informierte. Die Angehörigen machten sich sofort auf den Weg zur Tochter und informierten noch vor Ort die Polizei über den Vorfall. Als die Polizei eintraf, konnte die 20-Jährige laut Aussage der Familie den Beamten den Vorfall eigenständig schildern.
Unabhängig von den polizeilichen Ermittlungen ließ die Familie den Urin der Betroffenen untersuchen. Das Ergebnis war alarmierend: «Man fand Benzodiazepine. 60 Stunden nach der ersten Tat war der Wert noch immer um das 13-fache erhöht.»

Medizinische «Expertise» & Tatbewertung
Ein Mitarbeiter des Frankfurter Universitätsklinikums, der anonym bleiben möchte, erklärte: «Das Medikament, das die junge Frau verabreicht bekommen hat, heißt Midazolam, ist ein Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine. Es ist eine klare Flüssigkeit, die ausschließlich [sic] über die Vene gespritzt wird. Es ist ausgeschlossen, dass es in Verbindung mit der eigentlichen Behandlung steht.»
Midazolam werde unter anderem für Narkose-Einleitungen verwendet. Die bei Elif festgestellte Dosis sei lebensgefährlich gewesen: «Wenn eine Sedativa [sic] überdosiert wird, kann die Gefahr einer Atemlähmung bestehen.» Außerdem dürfe ein Medikament ausschließlich von einem Arzt verordnet werden. Der Pfleger hätte keine Berechtigung gehabt, ein Medikament ohne ärztliche Anordnung zu verabreichen. Der Mitarbeiter bewertete Elifs Fall: «Das war eine geplante Tat – von einem Kenner, der weiß, was er tut.»
Rekonstruktion des wahrscheinlichen Tathergangs
Die medizinischen Umstände lassen eine naheliegende Rekonstruktion der Tat zu, die das kalkulierte Vorgehen des Täters verdeutlicht. Nach der Ablation am Freitag hatte Elif höchstwahrscheinlich noch eine Schleuse mit integriertem Venenzugang in der Leiste - ein modernes Kombisystem, das bei kardiologischen Eingriffen Standard ist. Diese Zugänge verbleiben nach dem Eingriff typischerweise 12-24 Stunden im Körper und müssen regelmäßig mit Kochsalzlösung gespült werden, um Verstopfungen zu verhindern.
Genau diese medizinische Notwendigkeit nutzte der Täter als perfekte Tarnung. Seine Behauptung, den "Venen-Katheter durchspülen" zu müssen, war für Leisten-Katheter tatsächlich korrekt und erweckte keinerlei Verdacht. Während bei peripheren Armkathetern solche Spülungen unüblich sind, gehören sie bei zentralen Zugängen in der Leiste zur Standardversorgung.
Die anatomische Lage des Katheters in der Leistenregion ermöglichte dem Täter einen scheinbar legitimierten Zugang zum Intimbereich seiner Opfer. Da der Katheter noch lag, befand sich in der Leiste kein Druckverband, der zusätzliche Barrieren geschaffen hätte. Elif war zudem bewegungseingeschränkt - Patienten mit Leisten-Kathetern müssen flach liegen bleiben, um Nachblutungen zu vermeiden.
Der Täter injizierte das Midazolam direkt über den Leisten-Zugang. Das Beruhigungsmittel wirkte binnen Minuten und machte Elif wehrlos. Unter dem Deckmantel der "Katheter-Versorgung" konnte er anschließend ungestört sexuelle Übergriffe in derselben Körperregion vornehmen. Sollte jemand das Zimmer betreten, hätte seine Anwesenheit in der Leistenregion völlig normal gewirkt.
Die Wiederholung am Sonntag zeigt die kalte Berechnung: Der Täter wusste, dass regelmäßige Katheter-Kontrollen medizinisch plausibel waren. Erst beim zweiten Mal schaffte es Elif trotz der Betäubung zu schreien - vermutlich weil sie durch die Vorerfahrung alarmiert war und der Täter möglicherweise eine geringere Dosis verwendete.
Diese Rekonstruktion verdeutlicht, wie der Täter sein medizinisches Fachwissen systematisch für seine Verbrechen einsetzte und dabei eine Situation ausnutzte, in der sein Opfer durch die Behandlungsumstände maximal verwundbar war.
Ermittlungen & behördliche Reaktionen
Die Frankfurter Staatsanwaltschaft bestätigte: «Wir ermitteln gegen einen 35-jährigen Beschuldigten, bei dem es sich um einen ehemaligen Pfleger handelt. Er soll einer 20-jährigen Kardiologie-Patientin gegen ihren Willen am 12. und 13.8.2023 sedierende Medikamente gespritzt haben, ohne dass eine medizinische Indikation gegeben war. Dadurch konnte der beschuldigte Pfleger die sexuellen Übergriffe durchführen.»
Das Universitätsklinikum Frankfurt teilte mit, es sei «in diesem Kontext eine fristlose Kündigung ausgesprochen» worden. Außerdem habe man ebenfalls Strafanzeige erstattet. Ein Sprecher des Klinikums erklärte, das Klinikum habe «zahlreiche Vorkehrungen implementiert», um Patienten und Mitarbeiter vor sexuellen Übergriffen zu schützen:
«Es gibt ein Schutzkonzept, dass in einer verbindlichen Dienstanweisung festgehalten ist. Für einzelne Fachgebiete gibt es besondere Schutzkonzepte. Diese werden regelmäßig re-evaluiert und gegebenenfalls ergänzt. In anderen Bereichen wird jährlich zur Prüfung des Bedarfs hinsichtlich der Entwicklung bereichsspezifischer Schutzkonzepte aufgefordert. Die Sensibilisierung für das Thema ist Bestandteil der Schulungen der Risikomanagement- und Qualitätsmanagement-Beauftragten und auch von Führungskräfteschulungen. Beschäftigte werden unter anderem im Intranet über ihre Rechte, Handlungsmöglichkeiten und Ansprechpartner zu diesem Themenfeld informiert. In den vergangenen Monaten wurde eine Checkliste für Führungskräfte für den Umgang mit möglichen Straftaten entwickelt.»
Einordnung in Kontext
Der Fall fügt sich ein in eine Reihe von Vorfällen sexueller Gewalt in medizinischen Einrichtungen. Ein ehemaliger Mitarbeiter einer Offenbacher Klinik war im Juli 2023 wegen Vergewaltigung zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 42-Jährige eine 17-Jährige kurz nach einer Brustkrebs-Operation würgte, schlug und vergewaltigte. Die Frau, die noch von einer Narkose benebelt war, sagte vor Gericht aus, dass sie nur Fragmente der Situation wahrgenommen habe.
Der Mann war zum Zeitpunkt der Tat im Juni 2021 als ungelernte Kraft im Ketteler-Krankenhaus fest angestellt, um Patienten und Patientinnen zum OP-Saal und zurück zu transportieren. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe wurde er fristlos entlassen. Der Hol- und Bringservice wird inzwischen von Pflegepersonal übernommen. Das Landgericht Darmstadt hatte den Pfleger wegen Vergewaltigung einer Patientin in einem Offenbacher Krankenhaus unmittelbar nach einer Tumoroperation verurteilt.
Quellen
«Staatsanwaltschaft ermittelt: Uniklinik-Pfleger soll Patientin missbraucht haben»
Daniela Pfad│BILD│21.11.2023
«Krankenpfleger soll Patientin sediert und sexuell missbraucht haben»
Der Spiegel│22.11.2023
«Frankfurter Uniklinik: Pfleger soll 20-jährige Patientin betäubt und missbraucht haben!»
Maximilian Hölzel│TAG24│22.11.2023
«Pfleger soll 20-Jährige betäubt und missbraucht haben»
t-online, sfk│22.11.2023
«Pfleger soll sexuellen Übergriff auf Patientin verübt haben»
Heike Borufka│hessenschau.de│22.11.2023
«Hat Pfleger eine Patientin missbraucht?»
Yanik Schick│HIT RADIO FFH│22.11.2023
«Pfleger soll Patientin betäubt und missbraucht haben»
Marie Lisa Kehler, Anna-Sophia Lang│FAZ│22.11.2023