Neuss/Düsseldorf
Verurteilter Frauenarzt: «Ich bin ein Anhänger der natürlichen vaginalen Geburt»
Gerichtsurteil zu tödlichem Geburtsfehler verkündet
Bewährungsstrafe für Oberarzt nach Tod eines Neugeborenen
Das Landgericht Düsseldorf hat am Mittwoch einen 58-jährigen Oberarzt zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Mediziner wurde der Körperverletzung mit Todesfolge für schuldig befunden. Zusätzlich muss er 5.000 Euro für wohltätige Zwecke zahlen.
Dramatischer Geburtsverlauf mit fatalen Folgen
Der Fall ereignete sich im November 2021 im Lukaskrankenhaus Neuss. Eine damals 29-jährige Gebärende bat aufgrund intensiver Wehenschmerzen um einen Kaiserschnitt. Der als Vertretungsarzt tätige Mediziner lehnte diese Bitte jedoch ab. Stattdessen griff er zur Geburtszange – laut Gerichtsurteil ohne die erforderliche Einwilligung der Patientin.
Die Staatsanwaltschaft warf dem Frauenarzt vor, mit der Zange mehrfach abgerutscht zu sein und dadurch das Neugeborene tödlich verletzt zu haben. Obwohl später doch noch ein Kaiserschnitt durchgeführt wurde, verstarb das Kind wenige Stunden nach der Entbindung.
Frauenarzt streitet Fehlverhalten ab
Im Gerichtsverfahren bestritt der Angeklagte jegliches Fehlverhalten. Er begründete sein Vorgehen mit einem angeblichen Geburtsstillstand und bezeichnete den Einsatz der Geburtszange als «alternativlos». Vor Gericht rechtfertigte er seine Entscheidung gegen den gewünschten Kaiserschnitt mit den Worten: «Ich bin ein Anhänger der natürlichen vaginalen Geburt.»
Die junge Mutter hingegen betonte in ihrer emotionalen Zeugenaussage ausdrücklich, dass sie dem Einsatz der Geburtszange nicht zugestimmt habe – ein traumatisierendes Ereignis, das mit dem Verlust ihres Kindes endete.
Ungeklärte medizinische Fragen
Trotz Anhörung mehrerer medizinischer Sachverständiger konnte die genaue Ursache der tödlichen Verletzungen nicht eindeutig geklärt werden. Unklar blieb auch, ob der Angeklagte beim Einsatz der Geburtszange technische Fehler begangen hatte.
Der verurteilte Frauenarzt verwies auf seine 34-jährige Berufserfahrung mit angeblich über 10.000 problemlos verlaufenen Geburten, davon etwa 2.000 mit Unterstützung durch Geburtszangen.
Dieser Fall wirft ein bedenkliches Licht auf die Frage der informierten Einwilligung bei medizinischen Eingriffen und das Recht der Patientinnen auf Selbstbestimmung während der Geburt. Dass das Lukaskrankenhaus Neuss selbst Anzeige gegen den als Aushilfe tätigen Oberarzt erstattete, zeigt die Schwere des Vorfalls. Ob der Verurteilte in Revision gehen wird, ließ sein Rechtsanwalt zunächst offen.
QUELLE
· «Urteil im Prozess um tödlichen Fehler bei Geburt in Neuss gefallen», Martin Höke, WDR, 21.02.2024 ·