Falscher Notarzt aus Bochum zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt
Das Landgericht Bochum hat den 43-jährigen Sebastian K. am 17. Juli 2025 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Mann hatte sich über Jahre hinweg als Arzt ausgegeben, ohne jemals eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen zu haben, und parallel schwere Sexualverbrechen an Kindern begangen.
Jahrzehntelange kriminelle Laufbahn
Sebastian K.s Karriere als Hochstapler im Gesundheitswesen begann bereits in den frühen 2000er Jahren. Ohne medizinische Qualifikation arbeitete er zunächst in verschiedenen Krankenhäusern im Ruhrgebiet als angeblicher Intensivpfleger. Seine Krankenpfleger-Ausbildung hatte er mindestens einmal kurz vor dem Examen wegen Depressionen abgebrochen.
Im April 2015 erreichte seine Dreistigkeit einen neuen Höhepunkt: Mit gefälschten Approbationsurkunden erschlich er sich über eine Vermittlungsagentur eine Stelle als Notarzt auf der Rettungswache in Delbrück im Kreis Paderborn. Vier Tage lang rückte er zu sechs Notfällen aus und behandelte vier Patienten, bevor ein leitender Notarzt Verdacht schöpfte und seine Festnahme veranlasste.
Erste Verurteilung und Strafverschärfung
Das Amtsgericht Paderborn verurteilte Sebastian K. im Oktober 2015 zu drei Jahren Haft wegen Urkundenfälschung, gefährlicher Körperverletzung und Missbrauch von Berufsbezeichnungen. Parallel ermittelte die Staatsanwaltschaft Bochum gegen ihn, da er jahrelang ohne Qualifikation in Krankenhäusern als Intensivpfleger gearbeitet hatte. 2016 erhöhte das Landgericht Bochum die Strafe auf fünf Jahre und neun Monate, die er bis Ende 2021 vollständig verbüßte.
Sofortiger Rückfall nach Haftentlassung
Kaum aus dem Gefängnis entlassen, begann Sebastian K. 2022 erneut, sich medizinische Jobs zu erschleichen. Er arbeitete als Honorardozent bei einer Pflegeschule in Recklinghausen und gab sich diesmal als Anästhesist aus. Mit gefälschten Master-Urkunden setzte er Injektionen und führte medizinische Behandlungen durch.
Schwere Sexualverbrechen an Kindern
Parallel entwickelte Sebastian K. ab April 2024 ein «Kinderporno-Business». Über Snapchat errichtete er einen Account namens «people scout/biete mädchen» und führte mehr als 500 verschiedene Chats. Er missbrauchte die Töchter seiner Partnerin Janet P. – ein 18 Monate altes Baby, ein achtjähriges und ein 15-jähriges Mädchen.
Janet P. soll ihm nach den Ermittlungen erlaubt haben: «Du darfst mit allen Kindern alles machen. Solange das Baby nicht weint.» Die Kinder wurden gefilmt und fotografiert, die Aufnahmen im Internet verkauft oder gegen andere Missbrauchsvideos getauscht. Das Paar bezeichnete das achtjährige Mädchen in Chats zynisch als «kleine Gelddruckmaschine».
Prozess und Urteil
Der Prozess gegen Sebastian K. und Janet P. begann am 5. Februar 2025 vor der 3. Jugendschutzkammer des Landgerichts Bochum. Für das Verfahren waren fast 20 Termine angesetzt. Sebastian K. stritt die meisten Missbrauchstaten ab und behauptete nur «einige sexuelle Kontakte» mit der 15-Jährigen, die er als «Liebesbeziehung» bezeichnete.
Richter Nils Feldhaus äußerte sich bei der Urteilsverkündung deutlich: «Wenn wir als Jugendschutzkammer strafbares Verhalten feststellen, schlagen wir mit aller Härte zu.» Er bescheinigte Sebastian K., die Nähe von Mädchen gesucht zu haben: «Alles, was nicht bei drei auf den Bäumen war, hat er angetextet.»
Das Urteil umfasst neben den Missbrauchstaten auch die erneuten beruflichen Betrügereien. Sebastian K. wurde wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs, gewerbsmäßiger Herstellung kinderpornografischer Inhalte, gefährlicher Körperverletzung, Missbrauch von Berufsbezeichnungen und Urkundenfälschung zu zehneinhalb Jahren Haft mit anschließender unbefristeter Sicherungsverwahrung verurteilt. Janet P. erhielt fünfeinhalb Jahre Haft.
Noch nicht rechtskräftig
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sebastian K. und Janet P. können Revision einlegen. Die Sicherungsverwahrung bedeutet, dass Sebastian K. erst freigelassen wird, wenn Gutachter ihn nicht mehr für gefährlich halten.
Der Fall zeigt strukturelle Probleme im Gesundheitswesen auf, wo es Sebastian K. über Jahre hinweg gelang, sich mit gefälschten Dokumenten Stellen zu erschleichen. Die Tatsache, dass er nach seiner Haftentlassung 2021 sofort wieder als Dozent arbeiten konnte, zeigt Schwächen in den Kontrollmechanismen auf.
Quellen
«Ein Scharlatan im Rettungswagen»
Neue Westfälische | 26. Oktober 2015
https://www.nw.de/lokal/kreis_paderborn/paderborn/20607795_Ein-Scharlatan-im-Rettungswagen.html
«Falscher Notarzt zu drei Jahren Haft verurteilt»
kma Online | 26. Oktober 2015
https://www.kma-online.de/blog/artikel/falscher-notarzt-zu-drei-jahren-haft-verurteilt-a-30218
«Falscher Notarzt muss drei Jahre in Haft»
DER SPIEGEL | 25. Oktober 2015
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/falscher-notarzt-33-jaehriger-aus-bochum-muss-drei-jahre-in-haft-a-1059656.html
«Falscher Notarzt zu Haftstrafe verurteilt»
n-tv | 25. Oktober 2015
https://www.n-tv.de/panorama/Falscher-Notarzt-zu-Haftstrafe-verurteilt-article16217926.html
«Töchter sexuell missbraucht? Bochumer Paar vor Gericht»
WDR | 5. Februar 2025
https://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/bochumer-wegen-schweren-sexuellen-missbrauchs-vor-gericht-100.html
«Vermeintlicher Notarzt muss wieder ins Gefängnis»
DIE ZEIT | 16. Juli 2025
https://www.zeit.de/news/2025-07/17/vermeintlicher-notarzt-muss-wieder-ins-gefaengnis
«Kommt Hochstapler und Sex-Täter aus Recklinghausen nie mehr frei?»
Recklinghäuser Zeitung | 17. Juli 2025
https://www.recklinghaeuser-zeitung.de/recklinghausen/sicherungsverwahrung-sexueller-missbrauch-bochum-recklinghausen-falscher-notarzt-landgericht-w1055886-6001044366/
«Vermeintlicher Notarzt aus Bochum erneut verurteilt»
ANTENNE NRW | 17. Juli 2025
https://antenne.nrw/nrw/vermeintlicher-notarzt-aus-bochum-erneut-verurteilt/