«Ekel»-Zahnarzt aus Wuppertal zu zwei Jahren Haft verurteilt

 

Das Amtsgericht Wuppertal hat am 1. Juli 2025 einen 64-jährigen Zahnarzt wegen Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Der Mediziner hatte einen Patienten gegen dessen Willen festgehalten und unter Zwang behandelt. Zusätzlich hatte er in seiner Praxis über Jahre hinweg unzureichend gereinigte Instrumente verwendet.

 

Zwangsbehandlung in der Notfallpraxis

Der Vorfall ereignete sich im Juni 2022 um 3:00 Uhr morgens. Ein Patient namens Rainer D. suchte die Notfallpraxis des Angeklagten wegen «höllischer Zahnschmerzen» auf. Was folgte, beschrieb der Betroffene später vor Gericht als traumatisierende Erfahrung.

«Schon der erste Eindruck war katastrophal», schilderte der Patient. Ihm fiel auf, dass der Zahnarzt keine Helferin hatte und die Möglichkeit des Ausspülens am Behandlungsstuhl fehlte. Der Arzt reichte ihm lediglich Tücher, die das Blut auffangen sollten. Die Diagnose lautete: zwei entzündete Wurzeln, die entfernt werden müssten.

 

Ignorierte Einwände und Gewaltanwendung

«Ich habe ihm erklärt, dass ich ein Problem mit der Wirkung von Spritzen habe und dass die bei mir nicht wirken», berichtete der Patient vor Gericht. Der Zahnarzt habe daraufhin gesagt, er solle ihm nicht seinen Job erklären. Als der Patient die Behandlung abbrechen wollte, wurde er vom Arzt mit den Worten «Sie gehen jetzt nirgendwo mehr hin, ich entscheide hier» in den Behandlungsstuhl gedrückt.

Der Patient erklärte seine Situation: «Ich habe gesagt, ich will das nicht, ich habe Probleme mit Spritzen.» Der Arzt habe entgegnet, er würde ihm ja auch nicht reinreden. Dann habe er gesagt: «Sie gehen nirgendwo hin, ich entscheide hier.» Der Patient traute sich nicht zu gehen.

 

Traumatisierende Behandlung

Trotz der Proteste des Patienten schnitt der Zahnarzt mit einem Skalpell einen Abszess im Mund auf, wozu er aus Sicht des Gerichts mangels Einwilligung nicht berechtigt war. Der Patient beschrieb die Behandlung: «Es knackte und krachte in meinem Kiefer, hat höllisch weh getan. Er sagte zu meiner Frau: ‹Abszess, fühlen Sie mal›. Sie sollte ohne Handschuh in meinen Mund greifen. ‹Stellen Sie sich nicht so an, das ist doch ihr Mann›, habe der Arzt gesagt.»

Während der Behandlung sagte der verzweifelte Patient zu seiner Frau: «Du musst mir helfen, wir müssen hier weg.» Am nächsten Tag stellte ein anderer Arzt fest, dass die Behandlung nicht korrekt gewesen sei und er hätte chirurgisch behandelt werden müssen. Bei der Nachbehandlung fiel auf, dass die Wunde nicht ordnungsgemäß versorgt worden war und sich Hämatome gebildet hatten. Der Patient war dadurch traumatisiert.

 

Rechtfertigung des Zahnarztes

Der 64-jährige Zahnarzt rechtfertigte sein Verhalten mit einer angeblichen Lebensgefahr. Er habe dem Patienten möglicherweise das Leben gerettet, argumentierte er. «Ich habe gewisse Verpflichtungen und Verantwortungen gegenüber Patienten, es ging um Leben und Tod.» Der Patient sei mitten in der Nacht im Notdienst bei ihm erschienen und in desolatem Zustand gewesen. Es habe eine lebensgefährdende Sepsis, eine Blutvergiftung, gedroht.

«Kommt es zu einer Sepsis, liegt die Verantwortung beim Arzt. Ich habe sofort behandelt», sagte der Angeklagte. «Hätte man das nicht gemacht, wäre er innerhalb von ein paar Tagen, salopp gesagt, draufgegangen.» Den Zwang rechtfertigte er mit der erwarteten Schmerzreaktion: «Er hatte Schiss ohne Ende, die Verantwortung war bei mir. Wenn ich den Abszess öffne, geht der unter Umständen an die Decke.»

 

Hygienemängel in der Praxis

Neben der Zwangsbehandlung stellte das Gericht fest, dass der Mediziner in seiner Zahnarztpraxis unzureichend gereinigte Instrumente benutzt hatte. Dies war bei Kontrollen aufgefallen. Der Arzt hatte die vorgeschriebene Ausstattung für die Reinigung nicht besessen und trotz Verbots die mangelhaft gereinigten Instrumente weiter genutzt. Dadurch hatte er seine Patienten in Gefahr gebracht.

 

Urteil und Bewertung

Das Amtsgericht Wuppertal verurteilte den Zahnarzt zu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung. Die von der Staatsanwaltschaft zusätzlich angeklagte Freiheitsberaubung sah das Gericht allerdings nicht als erfüllt an: Der Patient habe durchaus die Möglichkeit gehabt, aufzustehen und zu gehen, erklärte die Richterin.

Nach der Behandlung schrieb die Ehefrau des Betroffenen sowohl die Krankenkasse als auch die Zahnärztekammer an und führte alle Details der Notfallnacht auf. Der Zahnarzt mutmaßte, der Patient sei von einem Dritten beeinflusst worden und habe erst zwei oder drei Monate später Anzeige erstattet.

 

 

Quellen

 

«Zahnarzt wegen Freiheitsberaubung vor Gericht»
DIE ZEIT | 30. Juni 2025
https://www.zeit.de/news/2025-07/01/zahnarzt-wegen-freiheitsberaubung-vor-gericht

«Zwei Jahre Haft für "Ekel"-Zahnarzt aus Wuppertal»
WDR | 1. Juli 2025
https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/wuppertal-prozess-ekel-zahnarzt-100.html

«Zahnarzt wegen Freiheitsberaubung verurteilt»
DIE ZEIT | 1. Juli 2025
https://www.zeit.de/news/2025-07/01/zahnarzt-wegen-freiheitsberaubung-verurteilt

«Wuppertaler Zahnarzt wegen Freiheitsberaubung verurteilt»
ZWP Online | 3. Juli 2025
https://www.zwp-online.info/zwpnews/dental-news/branchenmeldungen/zahnarzt-in-wuppertal-zu-zwei-jahren-gefangnis-verurteilt-worden